Die tschechische Autorin Alena Mornštajnová ist spätestens seit ihrem Buch „Hana“ auch hierzulande ein nicht unbekannter Name. Während die Autorin in „Hana“ von der Ermordung der jüdischen Bevölkerung durch die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg erzählt, konzentriert sie sich in „Stille Jahre“ auf eine Familiengeschichte im Rahmen des Aufstiegs und Falls des Kommunismus in der Tschechoslowakei.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Vater- und Tochter-Perspektive erzählt. Wir lernen den Vater Svatopluk von kleinauf kennen, ein überzeugter Kommunist, der sein Herz an die klassische Musik verloren hat. Seine in den 1980ern geborene Tochter Bohdana ist die zweite Erzählstimme, die ohne Mutter und Stimme aufwächst, ein stummes, aber kluges Mädchen, das von ihrem Vater eher verstoßen als geliebt wird. Bohdana spricht zwar nicht, dafür schreibt sie aber alles auf, Erinnerungen, Beobachtungen, Emotionen. Und währenddessen entdeckt sie Familiengeheimnisse, die ihr mehr und mehr die Fragen ihres Lebens beantworten – wieso ist ihr Vater so wie er ist und wo ist eigentlich der Rest der Familie?
„Stille Jahre“ ist ein sehr bewegendes und intensives Werk, das mich nach „Hana“ mindestens genauso begeistert hat. Mornštajnová spannt einen zeitlichen Bogen durch ein halbes Jahrhundert und konstruiert dabei geschickt eine Familie, die eigentlich an Idealen zerbrach. Durch den Perspektivenwechsel ist die erzählte Geschichte nie einseitig, jegliche Handlungen und Gedankengänge der einzelnen Protagonist*innen sind dadurch absolut nachvollziehbar und gehen einem dabei auch sehr nah. „Stille Jahre“ ist ein fulminantes Schicksalsgewebe, das keinen Lesenden kaltlässt, eine umfangreiche Familiengeschichte, die noch lange nachhallen wird. Was für eine begnadete Schriftstellerin – ich kann euch nur ans Herz legen, dringend etwas von Mornštajnová zu lesen. Aus dem Tschechischen übersetzt von Raija Hauck.
Erschienen im Wieser-Verlag
ISBN: 978-3-99029-466-6
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