Über transgenerationale Traumata und ihre Folgen – Saturnin von Jakub Malecki

„Saturnin“ ist eines der Bücher, das erst einmal recht unscheinbar daherkommt (nicht nur wegen des ruhigen, unaufgeregten Covers) und erst im Laufe des Lesens und vor allem im Nachgang die volle Wirkung entfaltet.

Jakub Maleckis Roman ist eine Familiengeschichte, ein Kriegsdrama, das von vier Erzählperspektiven erzählt wird. Wir lernen Saturnin kennen, ein sonderbarer, alleinstehender Handelsvertreter, der früher mal professionell Gewichte gestemmt hat und heute eher als gesellschaftlicher Außenseiter lebt. Saturnins Mutter Hania berichtet uns in Briefen, wie sie Saturnins Vater kennen gelernt hat und wieso die Ehe so unglücklich verlaufen ist. Als dritter Erzähler tritt Saturnins Großvater Tadeusz auf, der im 1. Weltkrieg als Pole gegen die Deutschen kämpfen musste. Körperlich hat er den Krieg überlebt, emotional gesehen nur zum Teil. Und dann spricht noch ein totes Familienmitglied zu uns Leser*innen, des Großvaters Schwester, die zu Beginn des Romans zwar noch in Rätseln spricht, der ganzen Geschichte aber den eigentlichen Kern liefert.

Saturnin“ ist ein überwältigendes Leseerlebnis, der häufige Perspektiven- und Zeitenwechsel lässt einen beim Lesen kaum zu Ruhe kommen, von Seite zu Seite wird es spannender, die Geschichte nimmt Form an und die einzelnen Charaktere werden immer nachvollziehbarer. Selten habe ich so ein vielschichtiges, bewegendes, psychologisch fein komponiertes Kriegsdrama gelesen. Die Erzählstränge sind kunstvoll miteinander verwoben – keine offenen Fragen bleiben zurück. Ich bin wirklich hin und weg und verzeichne diese großartige Prosa als Jahreshighlight. „Sarturnin“ zeigt auf eindrückliche Art und Weise, dass ein Krieg trotz Kriegsende noch Jahrzehnte weiter wütet und dass nachfolgende Generationen auch Jahrzehnte später noch an ähnlichen Fronten zu kämpfen haben.

Zu erwähnen ist auch die hervorragende Übersetzung aus dem Polnischen von Renate Schmidgall.

Erschienen im Secession-Verlag
Gebunden ohne Schutzumschlag
268 Seiten
ISBN 978-3-907336-13-7
Preis: € 25,00 (A) I € 25.70 (A)

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